Ein großartiges Geschenk
Schöne Bescherung! Haben Sie das auch gedacht, als klar wurde: Weihnachten wird in diesem Jahr ganz anders sein als sonst? Keine Besuche oder zumindest nur sehr eingeschränkt. Viele haben schon lange das Gefühl zu vereinsamen. Die Gottesdienste können nicht in der gewohnten Form stattfinden. Kein Krippenspiel. Keine brausende Orgel. Und in all dem die Frage: Wie wird’s weitergehen in den kommenden Monaten?
Schöne Bescherung! Vielleicht haben das auch Maria und Joseph gedacht, als der Befehl vom Kaiser Augustus kam. Sie müssen ihr komfortables Zuhause verlassen und nach Bethlehem reisen. Maria ist hochschwanger. Der Weg ist für sie besonders beschwerlich. Und als sie ankommen, sind alle Herbergen überfüllt und sie können nur noch in einem Viehunterstand unterkommen, zwischen Ochse und Esel, inmitten von Stroh und Mist und vielem anderen, bei dem den Hygienefachleuten die Haare zu Berge stehen würden. Schöne Bescherung.
Aber genau da kommt dieses besondere Kind zur Welt, in dem uns Gott selbst begegnet. Nicht in einer Luxusvilla. Nicht als Kind reicher Eltern. Sondern als ganz normaler Mensch mit einem Leben voller Brüche und Unstimmigkeiten. So wie das Leben eben ist. Gerade in diesem außergewöhnlichen Jahr wird uns das besonders bewusst.
Und ich höre daraus die Botschaft: Du wirst dich nicht verlieren in all dem, was belastend und bedrückend ist. Gott steht an deiner Seite. „Wir haben, was wir zum Leben brauchen und sind gesund“, sagte neulich ein Freund zu mir, als meine Stimmung im Keller war. Und ich habe so gedacht: Ja, das ist es! Jeder Atemzug, jeder Augenblick ist ein Geschenk. Nicht ich mache mein Leben.
Und so anstrengend dieses Jahr war, es gab so viele ermutigende Zeichen. Menschen, die einander im Blick haben. Vielen Ideen, wie wir dem Virus ein Schnippchen schlagen können. Von den Balkonen haben wir einander zugesungen. „Bleib gesund“, wünschen mir wildfremde Leute. Plötzlich wird bewusst, wie wichtig Solidarität ist. Als ob wir darauf mal gestoßen werden mussten. Ich denke an alle, die in den Kliniken für andere da sind, oft bis zur völligen Erschöpfung. Manche behaupten immer noch, Corona sei bloß ein Fake und wir würden in einem Überwachungsstaat leben. Aber für mich hat dieses Jahr auch gezeigt, was diejenigen leisten, die bei uns Verantwortung tragen. Auch wenn es natürlich manches zu kritisieren gibt.
Gott gebiert sich hinein in unser Leben. So unvollkommen es auch immer bleiben wird. Und wenn wir irgendwann aufhören zu atmen, du und ich, dann wird er auch da sein, um uns aufzufangen. Das ist es, was wir zu Weihnachten feiern. Keine schöne Bescherung. Sondern ein großartiges Geschenk. Amen.
Ich liebe die Adventszeit. Vielleicht sogar noch ein bisschen mehr als den Heiligen Abend. Ich finde es herrlich, über den Weihnachtsmarkt zu schlendern. Genieße es, hier und da stehen zu bleiben. Freunde und Bekannte zu treffen und bei einem Glas Punsch so allmählich das ausgehende Jahr zu verabschieden.
Noch mehr liebe ich es, Tochter Zion zu singen. Spätestens am 2. Advent, dann aber aus voller Kehle. Das Größte für mich ist es, wenn es in der Adventszeit auch noch schneit. Dann geht mir das Herz auf und ich denke kurz: geht doch! Kinderwünsche können auch wahr werden, selbst wenn man schon lange erwachsen ist.
In diesem Jahr fühlt sich die Adventszeit anders an, sehr anders. Leiser, dunkler, ja, vielleicht ursprünglicher. Kinderwünsche und Romantik behalte ich verschämt für mich, sie sind nicht dran. Stattdessen bleibt die Situation kritisch. Die Intensivstationen füllen sich. Immer mehr Menschen werden krank und ja, viel zu viele Menschen sind gestorben in diesem Jahr an Covid 19. Das macht etwas mit uns. Das macht etwas mit mir. Ich werde stiller. Rituale werden wichtiger, die bei mir ein wenig in Vergessenheit geraten waren in den letzten Jahren. Die nicht durchdringen konnten durch all das Laute und manchmal auch Hektische und künstlich Fröhliche der Vorweihnachtszeit.
Die verordnete Stille dieser Tage lenkt meinen Blick aufs Wesentliche. Ich nehme mir bewusst Zeit, in Ruhe Weihnachtspost schreiben. Wechsle ein Wort mehr mit den Nachbarn, die ich länger nicht gesehen habe und rufe eben mal an, wenn mir eine Stimme aus der Familie ganz besonders fehlt oder ich weiß, jemand ist ganz allein zuhause.
Es tut mir gut im Moment, einfach mal nur dazusitzen bei Kerzenschein und in die Stille zu lauschen. Nicht nur ängstlich oder enttäuscht, über all das, was anders ist in diesem Jahr und fehlt, sondern auch erwartungsvoll. Voller Hoffnung darauf, dass mir aus der Stille etwas entgegenkommt. Und sei es nur die Ahnung: ich habe nicht alles in meinem Leben in der Hand. Aber ich bin gehalten. Und egal was wird, es wird Weihnachten werden – Gott wird da sein, mitten unter uns. Frieden wird er bringen für die Menschen in aller Welt. Und Frieden wird werden. Vielleicht nicht jetzt, nicht sofort, aber irgendwann. Voller Zuversicht hoffe ich darauf, weil ich spüre, dass da so ein weihnachtlicher Segensfaden gesponnen ist über die Jahrhunderte. Eine Spur, die Gott für uns gelegt hat durch die alten Geschichten hindurch bis in unsere Zeit. In Zacharias, in Johannes und Jesus, in Maria und Elisabeth. In all diesen biblischen Persönlichkeiten, die in diesen Tagen wieder für uns zum Leben erwachen. „Gelobt sei Gott“, so wird es uns am 3. Advent entgegenschallen. „Ein Sohn wird uns geboren“. Der Lobgesang des Zacharias gehört unbedingt dazu. Sein unbändiger Dank für Johannes, seinen neugeborenen Sohn, mit dem Gott das Leben von zwei alten Menschen völlig auf den Kopf stellt. Und diese tiefe Hoffnung, dass Gott alles neu machen kann. Bis heute wird dieser Lobgesang in vielen Klöstern von Brüdern und Schwestern am Morgen gebetet. Gen Osten, wo die Sonne aufgeht – jeden Morgen wieder, jeden Morgen neu, auf dass sich „unsere Füße ausrichten auf den Weg des Friedens“.
Gottes Spuren sind da. Wir finden sie in den Hirten und den Königen unserer Tage, in jedem göttlichen Kind, das hineingeboren wird in diese unbehauste Welt. Sie leuchten auf in dem Moment, in dem uns ein Kind in seiner ganzen Schutzlosigkeit anlächelt. Vielleicht müssen wir das Göttliche in diesem Jahr in der Adventszeit aufmerksamer suchen. Aber ich bin mir sicher, es wird da sein. Wir werden es spüren, wenn wir ihn liebevoll unter uns weiter verweben, diesen göttlichen Segensfaden durch die Jahrhunderte. Hell und heller wird es um uns werden und friedlicher, wenn wir uns anknüpfen, Kerze um Kerze an die Kette der Menschen, die mit uns unterwegs sind zum Fest. Darauf hoffe ich – in diesem Jahr ganz besonders. Amen.