Geschichte der St. Martini-Kirche in Langenholtensen

Patrozinium

Namensgeber unserer Kirche ist Martin von Tours, der laut der Legende aus dem 4. Jh. im französischen Amiens barmherzig seinen Mantel mit dem Schwert teilte und eine Hälfte einem Armen gab.

Der Heilige Martin ist ebenfalls Schutzpatron der früher für Langenholtensen zuständigen Sedes-Kirche Hohnstedt (ehemaliger Sitz des Superintendenten), der Archidiakonatskirche in Nörten-Hardenberg sowie des Bistums Mainz, von dem aus die Missionierung im südlichen Niedersachsen im neunten und zehnten Jahrhundert erfolgte.

Dieses Patrozinium könnte somit auf die Entstehungszeit einer romanischen Vorgängerkirche im 9. Jahrhundert hindeuten.

Ersterwähnung

Johann Georg Leuckfeld erwähnte in den 1708 veröffentlichten Stammtafeln der Herren von Oldershausen das Jahr 836 als Baujahr unserer Kirche.

  • Als Anno 836 Herzog Bruno in der Graffschaft Nordheim den Brunstein, und die Kirch, in memoriam der Schlacht allda, zu Langenholzhausen erbauet / gibt Er Anno 841 einem von Westerhofe das Jus Patronatus davon, so es auch besessen biß 1366, allwo Sie es dem Closter Wiebbrechtshausen überlassen.

Historiker zweifeln den Wahrheitsgehalt dieser Ersterwähnung an, da andere von Leuckfelds Aussagen widerlegt werden konnten. Im Niedersächsischen Landesarchiv ist dagegen die in der Burg Westerhof ausgestellte Urkunde von 1366 vorhanden, die den zweiten Teil seiner Behauptung belegt:

  • Egbertus von Westerhof, Knappe, schenkt mit Zustimmung des Guncelinus, Sohn des Gunzelinus von Westerhof, aus Erkenntlichkeit für die Aufnahme der Tochter des verstorbenen Boldewinus von Westerhof als Nonne dem Kloster Wiebrechtshausen (Wiebernshusen) das Patronatsrecht über die Kirche zu Langen-Holtensen (Langenholthusen) bei Northeim.

Mit Ulrich Timmen wird 1475 der erste Pfarrer aus Langenholtensen namentlich erwähnt. Der ehemalige Einbecker Augustinermönch Georg Stenneberg wird der erste Pastor nach Einführung der Reformation. Sein Nachfolger wird 1562 der durch seine Chroniken bekannte Johannes Letzner.

Lage

Die St. Martini-Kirche liegt exponiert oberhalb der Gabelung der beiden Hauptwege in der Mitte des Altdorfes. Im Uhrzeigersinn um die Kirche herum befinden, bzw. befanden sich von Norden beginnend die Zehntscheune und das Pfarrhaus, im Osten die "Pütcheberg" genannte Hofstelle (Nr. 1), im Süden der St. Blasiushof (Nr. 2, jetzt Tankstelle) und im Westen das Hirtenhaus, das Opperhaus und das Pfarrwitwenhaus. Dieser Bereich trägt den Flurnamen "Am Thie".

Vorgängerbau

Altes Siegel der Kirchengemeinde Langenholtensen

Die ältesten Aufzeichnungen erwähnen die Reparation der baufälligen Kirche von 1685 bis 1689, bei der auch erstmals eine Uhr eingebaut wurde und den Neubau des Kirchturmes 1720.

Diese im barocken Stil erbaute Kirche ist auf dem alten Siegel der Kirchengemeinde abgebildet und wird von Hector Wilhelm Heinrich Mitthoff in dessen 1872 erschienenen Buch "Kunstdenkmale und Alterthümer im Hannoverschen" detailreich beschrieben:

Die Bauart des Chores wich auffällig von der des Kirchenschiffes ab. Der rechteckige Chor mit zwei gotischen Eckstrebepfeilern, war offenbar älter als das denselben an Breite übertreffende Schiff, dessen Fenster nur mit hölzernem, flachbogig ausgerundetetem, barocken Sturz versehen waren. An dem südöstlichen der gedachten Strebepfeiler befand sich ein rechteckiger, wohl aus dem Jahr 1484 herrührender Quader mit nachstehender Umschrift in gothischer Minuskel:

Gherig. X von X holt..sen X lxxxiii X

Im Innern an der südlichen Chorwand befand sich eine kleine, gothisch verzierte Nische mit einem Kruzifix und drei Statuetten von Heiligen, darunter St. Nicolaus, aus Holz geschnitzt.

An der nördlichen Chorwand ein, von den Bänken halb verdeckter Leichenstein mit einer bekränzten oder gekrönten weiblichen Gestalt, angeblich eine während der Copulation vor dem Altar tot niedergesunkene Jungfrau darstellend, mit welcher Angabe indess der Eingang der Umschrift:

ANNO 1655 den 13 FEBRU. MORGENS TWISCHEN 2 UND 3 _ _ _

nicht übereinstimmte, wohl aber der damals noch lesbare Teil derselben:

_ _ _ IHRES ALTERS 22 JAHR.

Mithoff erwähnt ebenfalls einen runden Taufstein, bezeichnet auf dem Rande:

ANNO 1508 HER IOHAN LETZLNERUS so wie mit der Umschrift: WER GLAUBET etc.

Ein Taufstein soll auf einem alten Foto vom Garten des Pfarrhauses zu sehen sein. Möglicherweise handelte es sich hier um den von Mitthoff beschriebenen Stein, da der aktuelle Taufstein keinerlei Inschriften enthält.

Sehr detailliert schreibt der von 1872 bis zu seinem Tode 1882 in Langenholtensen tätige Pastor Jacobshagen in seinen "Nachrichten über den Neubau der Kirche in Langenholtensen", die in einer Flasche in der Außenwand des Chores vermauert waren und 2011 geborgen wurden.

1877 - Nachrichten über den Neubau der Kirche in Langenholtensen

Wiedereinmauerung historischer Dokumente am 17. Oktober 2011 - (v.l.) Helmut Töpperwien, Mario Koch (Schönhütte Bau), Pastorin Luitgardis Parasie

Das alte Gotteshaus in Langenholtensen, über dessen Erbauung alle Nachrichten fehlen, war ein einfacher Langbau mit flacher Balkendecke, noch etwas kürzer als das neue Haus und nicht breiter als der Thurm, dessen unterer Raum mit in das Schiff der Kirche hineingezogen war. Es ist in früheren Jahrhunderten viel zu Begräbnisplätzen benutzt worden, wie sich jetzt beim Neubau herausstellt, Schiff und Chor der Kirche waren voll gefüllt mit noch unversehrt erhaltenen Grabgewölben. Der zuletzt darin begraben ist laut den Kirchenbüchern ein Fähnrich v. Plato vom Estorfschen Dragonerregimente in Northeim gewesen, welcher am 23. December 1776 nahe am Chor linker Hand begraben worden.

Dies alte Gotteshaus hatte im Schiff an beiden Seiten Frauenstände, an der Nordseite eine Empore für Männer, auf dem Chor über dem Altar gleichfalls eine solche und außerdem zu beiden Seiten Mannsstände, auch eine vergitterter Predigerstuhl, der die Sacristei vertret, und aus welchem die Treppe zur Kanzel führte an der Westwand der Kirche. Die Orgel, das Einzige, was aus der alten Kirche der neuen verbleibt, hatte denselben Standort wie im neuen Hause, nur daß sie gegenwärtig weiter vor in dem Raum der Kirche tritt.

Das vorige Gotteshaus befand sich, mit Ausnahme seiner starken Mauern, in höchst baufälligen Zustande seit langeher. Das Äußere war namentlich noch durch einen völlig verfallenen Anbau an der Nordseite, ein Treppenhaus, das zum sogenannten Brunsteiner Amtsstuhl auf der Männerempore führte, abscheulich verunziert, das Innere der Kirche unschön in höchstem Grade, ja aller geziemten Würde bar und ledig. Das Dach endlich so reparaturbedürftig, daß nur die Wahl blieb, entweder ein total neues Dach auf den alten Bau zu setzen, oder an umfaßende Restauration der Kirche zu denken.

Glücklicherweise hatte der Kirchenvorstand schon unter meinem Amtsvorgänger, dem Pastor Behr, 1871 verstorben, für Bildung eines Fonds zum Neubau der Kirche, die kein irgend namenswerthes Vermögen besitzt, gesorgt. Seit 1861 war unbeständlich zu genannten Zweck bei der Capital-Ansammlungs-Anstalt für Kirchen- und Schulzwecke in Hannover ein Guthaben der Kirche gesammelt, das sich nunmehr auf 5.197 M 83 Pf belief. Im Vertrauen auf Gottes weitere Hilfe beschloß jetzt der gegenwärtige Kirchenvorstand, der außer dem Unterzeichneten aus den weltlichen Mitgliedern

  • Ackermann Wilhelm Meinecke
  • Ackermann August Menzhausen
  • Ackermann Wilhelm Peter

besteht, ein umfaßender Umbau der alten Kirche.

Die Entwerfung eines Projects dazu ward dem Zimmermeister Wesemann jun. in Northeim übertragen. Derselbe hat nach einander 2 Projecte zum Umbau vorgelegt. Der 1ste ließ den ganzen alten engen Kirchenbau, wie er war, stehen; es sollte nur auf die alten Mauern ein neues Dach mit Holzgewölbe gebracht und übrigens das Innere völlig neu ausgebaut werden. Bei den Verhandlungen darüber mit den Königlichen Consistorium und dem Consistorial-Baumeister Hase scheiterte das Projekt, weil nicht Kirchenstühle in genügender Zahl hergestellt werden konnten. Zimmermeister Wesemann lieferte ein 2tes Projekt. Danach sollte in das alte Mauerwerk ein Querschiff gesetzt werden und durch Anlegung von Emporen darin der Kirchenstühlnoth abgeholfen werden.

Dis Project wurde vom Königlichen Consistorium genehmigt am 12. April 1877. Zugleich bewilligte Königliches Consitorium auf Ersuchen des Kirchenvorstandes zu den Mitteln des Kirchenumbaus eine doppelte Kirchenvorrathscollecte im Betrage von 900 M. Die Gesamtkosten des Umbaus waren auf 15.000 M festgestellt. Der nach Verwertung der vorhandenen Baumittel verbleibende Rest dieser Kosten sollten durch eine Amortifikations-Anleihe bei der Königlichen Kloster-Cammer zu 6 Procent beschafft werden, und zur Zahlung dieser Zinsen zunächst das Kirchenarer (Kirchen-vermögen), so weit möglich, und weiter dann die Kirchengemeinde durch Kirchensteuer verpflichtet werden.

Am Sonntag Rogate 1877 (07. Mai - 5ter Sonntag nach Ostern) wurde der letzte Gottesdienst in der alten Kirche gefeiert und dann das Haus dem Abbruch übergeben, der sofort begann. Die Gottesdienste auch für die Gemeinde Langenholtensen wurden bis zur Vollendung des neuen Hauses in der Kirche zu Wiebrechtshausen gehalten.

Inzwischen aber, theils durch allerlei Weiterungen wegen zu verlegender Gräber auf dem Kirchhofe bewogen, theils durch Stimmen aus der Gemeinde, die sich dahin aussprachen, daß, wenn nun einmal gebaut werde, auch der Hauptschaden des alten Hauses, nämlich seine Lage beseitig werden möchte, entschloß sich der Kirchenvorstand, um so mehr da sich das alte Mauerwerk grad auf dem Chor theilweise doch recht schadhaft erwies, noch im elften Stündchen zu einem völligen Neubau. Zimmermeister Wesemann fertigte ein 3tes Project, so wie es nunmehr zur Ausfertigung gekommen ist. Die Kosten des Neubaus bekaufen sich jetzt auf rund 21.000 M, von dem also 15.000 M durch die Anleihe zu decken sind.

Zimmermeister Wesemann ist vom Kirchenvorstand zum Bauführer ernannt und hat auch die Zimmerarbeiten auszuführen. Die Mauerarbeiten aber sind im Wege der Submission dem Maurermeister Friedrich Warnecke in Langenholtensen übergeben. Der letztere hat, nach Beseitigung des alten Mauerwerks am 11ten Juni 1877 den neuen Grundstein legen laßen, an der westlichen Ecke der Nordmauer, wobei außer dem Unterzeichneten (Pastor Jacobshagen) auch die Kirchenvorsteher Meinecke und Peter und der zeitige Lehrer der Gemeinde, Cantor Knocke die üblichen Hammerschläge gethan haben.

Heute aber, am 7ten September 1877, ist das Mauerwerk der neuen Kirche nahezu vollendet, und es sollen nunmehr diese kürzere Nachrichten über den Kirchenbau, in einer Flasche vermauert dem Bau beigefügt werden, für unsere Nachkommen zu lesen als ein Gruß ihrer Vorfahren, wenn einmal nach Gottes Willen auch dieser Neubau wieder fallen wird, dessen wir uns heute mit Dank zu Gott von Herzen freuen.

Pastor Eduard Heinrich Jacobshagen (1872-1882)

Wills Gott, so wird in nächster Woche das Dach dem Neubau aufgesetzt und das Richtfest gefeiert werden. Wie aber weiter denn das Gotteshaus unter Gottes Beistand hinausgeführt werden wird bis zu seiner Vollendung, davon will ich, so Gott will, noch weitere Nachricht geben und dieselbe in hiesiger Pfarr-Registratur niederlegen.

Gott walts, daß ohne irgendjemandes Schaden das neue Gotteshaus fertig werde, zur Ehre Seinem Heiligen Namen und unserer Gemeinde zum Segen und zur Freude.

Amen!

Langenholtensen, den 7ten September 1877

EH Jacobshagen, Pastor

Entwurfszeichnungen

Entwurfszeichnung des Northeimer Zimmermeisters Wesemann jun., 1877

Kirchhof

Traditionell wurden Verstorbene auf dem Kirchhof um die Kirche herum bestattet. Beim Abriss der alten Kirche 1877 wurden aber auch zahlreiche Gruften unter der Kirche gefunden. Seit 1861/62 finden die Begräbnisse auf dem neuen Friedhof am Dünenanger statt.

Am 10.11.1883, dem 400. Geburtstag Martin Luthers, wurde die Luther-Eiche nördlich der Kirche gepflanzt.

Nach dem 1. Weltkrieg wurde zum Gedenken an die Gefallenen ein Steindenkmal westlich der Luther-Eiche errichtet. Unter den Toten waren auch die beiden Söhne Friedrich und Hans Hollmer des am 04.08.1914 verstorbenen Pastors Adolf Hollmer. Sie starben im Oktober 1914 in der ersten Flandernschlacht.

Für die Opfer des 2. Weltkriegs wurde nach 1945 am Denkmal eine Gedenkplatte und ein steinernes Tatzenkreuz mit den Jahreszahlen 1939-1945 angebracht.