Kann das weiterhelfen angesichts der Erkenntnis, dass am Ende unseres Lebens der Tod steht? Kann das trösten, wenn der Tod eines anderen dein Leben aus der Bahn geworfen hat und tausend Fragen dich umtreiben? Vielen ist der Gedanke an ein Leben nach dem Tod fremd geworden. „Es ist noch keiner von dort wieder gekommen“, heißt es oft. Und was nützt der Blick auf einen neuen Himmel und eine neue Erde, die irgendwann mal kommen und von denen keiner so genau sagen kann, wie sie sein werden? Wir leben hier und jetzt. Wollen jetzt unsere Lebenszeit auskosten. Nicht irgendwann mal.
Und doch: So sehr wir uns auch bemühen, so sehr wir versuchen, das Beste zu geben und jeden Tag zu nutzen, am Ende bleibt doch vieles offen und bruchstückhaft und wir bleiben manches schuldig. Gerade wenn der Tod in dein Leben tritt, wird das plötzlich offenbar. Weil wir Menschen sind mit Grenzen und Begrenztheiten. Weil wir die Dinge nicht einfach in der Hand haben. Und weil wir uns manchmal selbst im Wege stehen und nicht über unseren Schatten springen können. Ich und du. Unsere Verstorbenen, die wir gehen lassen mussten. Und auch all diejenigen, die vor uns waren. Unser Leben ist und bleibt ein Provisorium.
Aber dagegen nun diese Verheißung: „Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde.“ Das heißt doch: Gott selbst wird das, was offen und bruchstückhaft geblieben ist, vollenden, abrunden, zum Ziel führen. „Und der auf dem Thron saß, sprach: Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende.“ Und ich höre daraus: Du darfst loslassen. Du darfst das, was war und dich umtreibt, ihm anvertrauen. Das Gefühl, etwas versäumt zu haben. Die Frage, ob alle Entscheidungen richtig waren. Den Schmerz darüber, dass gemeinsame Zeit viel zu früh zu Ende gegangen ist und Hoffnungen sich nicht erfüllt haben. Da, wo unsere Möglichkeiten am Ende sind, wird Gott etwas Neues schaffen. Sogar da, wo wir nichts mehr erwarten.
Manchmal scheint etwas davon schon durchzuschimmern. Ich denke an eine Frau, die vom Sterben ihres Mannes erzählte. „In seinen letzten Tagen, schaute er immer auf einen festen Punkt an der Wand“, sagte sie. „Ich hatte das Gefühl: Er sieht etwas, das wir nicht sehen können. Und er hatte dabei ein Lächeln im Gesicht.“ Oder die Mutter, die ihr Leben lang distanziert zu ihrer Tochter war. Immer schien etwas zwischen den beiden zu stehen. Und dann kurz vor ihrem Tod, brachen die Mauern. Eine Nähe, die vorher nie da gewesen war. „Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Himmel sind vergangen.“
Und das ist dann keine Vertröstung auf ein fernes Jenseits. Sondern eine Ermutigung, sich diesem Leben, so wie es ist, zu stellen und nicht zu verzweifeln oder zu verbittern. „Ich denke an so vieles seitdem du nicht mehr bist. Denn du hast mir gezeigt, wie wertvoll das Leben ist.“ Eine Zeile aus dem Lied „Geboren um zu leben“, das wir hier im letzten Jahr bei einigen Beerdigung gehört haben. Kostbare Momente, die weiter wirken. Erinnerungen, die schmerzhaft sind, aber die auch tragen. Gottes Ewigkeit wirkt schon jetzt hinein in all das, was noch fragmentarisch ist. Und deshalb lohnt es sich weiterzugehen und nicht aufzugeben. Trotz allem. Darum lohnt es sich zu fragen: Wo kann ich etwas einbringen, damit ein Stück vom neuen Himmel und von der neuen Erde schon jetzt erfahrbar wird?
Der Wind fegt die letzten Blätter von den Bäumen. Zeichen der Vergänglichkeit. Aber du und ich, wir werden uns nicht verlieren in den Stürmen, die über uns hinweg fegen. Weil Gott mit uns unterwegs ist. Im Leben und im Sterben. Amen.